s&bt Magazin Ausgabe 01 | 24

1 | 2024 sbt 77 migung. In den folgenden 2 Betriebsjahren wurden über 100.000 Personen befördert. Trotzdem musste im Jahr 1910 der Betrieb eingestellt werden, weil die Seilbahnbehörden neue Sicherheitsbestimmungen erlassen hatten. Gefordert wurde eine Seilbahn mit doppelten Trag- und Zugseilen sowie Fangbremsen an den Fahrzeugen. Staffler gab nicht auf und die damals im Materialseilbahnbau erfahrene Fachfirma Bleichert aus Leipzig erklärte sich bereit, die Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Die Seilbahn wurde dabei um 150 m nach unten bis zur Talsohle verlängert und erhielt 12 Stahlbaustützen, einen neuen Antrieb in der Bergstation, mit einem Gleichstrom - Nebenschlussmotor mit 85 PS und einem akkugespeisten Notantrieb, und architektonisch ansprechende Stationsgebäude. Auch die Fahrzeuge wurden erneuert und auf 15 Sitzplätze erweitert. Die Bahn erhielt auch einen Entgleisungsschutz für das Zugseil sowie eine Tragseilbremse („Schleuderbremse“, wirkte bei Überschreitung einer definierten Fahrgeschwindigkeit). Für das kuk Eisenbahnministerium in Wien war die Kohlererbahn die Testanlage für die Erarbeitung von neuen Vorschriften für den Bau von öffentlichen Schwebebahnen. Nach umfangreichen Prüfungen konnte erst im Mai 1913 (!) die offizielle Eröffnungsfahrt durchgeführt werden. Doch gerade durch diese merkwürdige – und für den Betreiber alles andere als angenehme - Vorgangsweise der befassten Behörden ergab sich eine rasante Entwicklung der Technik- und Sicherheitsstandards: Erinnerte die erste Kohlererbahn noch weitgehend an eine für den Personentransport adaptierte Materialseilbahn, so war die nach etwa 3 Jahren später projektierte Anlage bereits eine in allen Details ausgereifte Zweiseil – Pendelbahn mit innovativen Sicherheitseinrichtungen. Die Kohlererseilbahn gilt als die erste Personen – Seilschwebebahn der Welt. Weltweit existierten in diesem Zeitraum lediglich noch der Wetterhornaufzug in Grindelwald (SUI,1908), die VigiljochSeilbahn bei Lana (Südtirol/damaliges Österreich, 1912) und die Seilbahn auf den Zuckerhut in Rio de Janeiro (1912). Während des 1. Weltkriegs 1914 – 1918 war der Bau von neuen Personen – Seilbahnen natürlich nicht mehr gefragt, dafür wurden jedoch hunderte Materialseilbahnen für den militärischen Nachschub im Bereich der Dolomitenfront gebaut. 1915 verfügte der Stadtmagistrat Bozen kriegsbedingt die Schließung der Kohlererbahn für den Personenverkehr, ausgenommen waren Lasttransporte –vor allem Holz- und Personentransporte für das Militär. Nach dem Krieg konnte der offizielle Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden bis zum 2. Weltkrieg, wo 1943 durch einen Bombenangriff der Alliierten die Talstation und mehrere Stützen zerstört worden sind. Mittlerweile besorgte eine provisorische Materialseilbahn auf gleicher Trasse lediglich Materialtransporte, bis dann die Firma Hölzl aus Meran den Auftrag für den Bau der 3. Kohlerer Seilbahn erhielt. Kernstück dieser Anlage war eine 28 m hohe Beton – Doppelstütze mit Kuppengerüst und Fahrzeuge mit einem Fassungsvermögen von 25 Personen. Die 3. Kohlerer Seilbahn konnte aufgrund von Finanzierungsproblemen erst 1965 ihren Betrieb aufnehmen, der wirtschaftliche Erfolg blieb aber – hauptsächlich wegen des Baues einer Straße auf den Ritten – aus. 1985 wurde, da die nach 20 Jahren vorgeschriebene Revision nicht mehr finanziert werden konnte, der Seilbahnbetrieb eingestellt. Nach einer Bürgerinitiative veranlasste die Stadtgemeinde Bozen als mittlerweile Alleineigentümerin 1986 die Revisionsarbeiten und der Betrieb konnte wieder aufgenommen werden. Im Jahr 2006 erfolgte im Hinblick auf das 100-Jahr-Jubiläum eine völlige Modernisierung durch Doppelmayr. Die sich mittlerweile im Besitz der Stadt Bozen befindliche Bahn erhielt neue Kabinen für 20 Personen und eine vollautomatische Steuerung für die Talstation. Seitdem verläuft der Betrieb der Bahn sehr zufriedenstellend, Kohlern ist als Landschaftsschutzgebiet, Naherholungsgebiet und Ausflugsziel gefragt. Nunmehr hat auch die Mountainbike-Szene Gefallen an dieser Bahn gefunden und nutzt die Bahn als Ausgangspunkt für viele Routen bis hinein ins Eggental. Seit 2017 ist die Bahn in das Tarifsystem des Landes Südtirol integriert und damit als öffentliches Verkehrsmittel mit div. Verbundkarten benützbar. NOSTALGISCHES Werner Daums Seilbahn-Nostalgie Teil 8 sbt kramte in alten Seilbahn-Archiven Die Kabinen der Kohlerer Seilbahn 1965 … … und heute.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYzODc=